Montag, 25. April 2011

Antwort an Peter M. Linz

Peter M. Linz, AUNS-Mitglied und Vizepräsident der SVP Schwarzbubenland, fordert mich in seinem Leserbrief auf, statt immer nur zu kritisieren aufzuzeigen, wie die direkte Demokratie und unsere Verfassung vor „EU-Imperialismus“, der anmassenden UNO und „sonstigem internationalen Recht“ geschützt werden kann. Das ist, wie wenn Herr Linz mich auffordern würde, endlich Lösungen aufzuzeigen gegen das zunehmend frecher werdende Auftreten des Burggeistes zu Gilgenberg. Ich kann daher nur versuchen, Herrn Linz nahe zu legen, nicht hinter allem böse Gespenster zu vermuten. Auf einen von Herrn Linz ebenfalls geforderten konkreten Lösungsvorschlag in Zusammenhang mit dem Energie- und Migrationsproblem werde ich hingegen hinweisen können.



Im Gegensatz zu Herrn Linz sehe ich im internationalen Recht nicht ausschliesslich etwas Bedrohliches. Internationales Recht kann im Gegenteil die Demokratie und die freiheitliche Verfassung eines Staates schützen. Diesem Zweck dient zum Beispiel die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK): Ohne Grundrechte ist Demokratie undenkbar (vgl. meine „Denkpause“ mit dem Titel „Das Volk hat immer recht!“), und die EMRK schützt unsere Grundrechte dort, wo es ein Nationalstaat mit dem Grundrechtsschutz seiner Bürgerinnen und Bürger nicht so ernst nimmt und der staatliche Übergriff droht – auch infolge eines demokratischen Volksentscheids. Ich bin deshalb froh, gibt es die EMRK, welche mich in meinem Minderheitendasein als Muslim, Katholik, Linker, SVPler, Homosexueller oder Querdenker vor einem Staat schützt, sollte dieser mir Minderheitenschutz verwehren.



Wer die EU pauschal als bösen Feind und undemokratisches Gebilde hinstellt, erweist der Demokratie einen Bärendienst: Wir befinden uns im Herzen Europas und sind von der Vereinheitlichung des Rechts betroffen, ob wir wollen oder nicht. Als Nichtmitglied können wir im demokratisch legitimierten Ministerrat oder EU-Parlament hingegen bei dieser Rechtsvereinheitlichung nicht mitbestimmen, und dies ist zutiefst undemokratisch.



Statt jeden zukunftsweisenden Lösungsansatz zu verteufeln, gälte es endlich zu erkennen, dass die Menschheit im Atomzeitalter ihre Probleme nur noch gemeinsam lösen kann, und zwar durch Transnationalisierung von Demokratie. Wir sitzen alle im selben Boot und haben seit 1945 enorm viel Glück gehabt, man denke nur an die Kuba-Krise oder daran, was sonst noch alles hätte schief gehen können. Wer einwendet, dass Völker sich schon immer bekriegt hätten und mehr Kooperation als Utopie bezeichnet, nimmt einen unbewohnbaren Planeten nicht nur vorauseilend in Kauf, sondern trägt durch sein Nichtstun dazu bei, dass Utopien Utopien bleiben und sich die eigene pessimistische Prophezeiung bewahrheitet. Gerade die Entstehungsgeschichte der Schweiz zeigt, dass das vermeintlich Unmögliche auch gelingen kann. Man muss nur wollen.



Auch die Zuwanderung gehört zu jenen zurzeit wahltaktisch in übelster Weise instrumentalisierten „Problemen“, die man in einer zunehmend vernetzten Welt nur noch durch Kooperation mit anderen Staaten lösen kann. Projekte wie „Desertec“ sind hier wegweisend: Dieses Projekt würde hier Energie- und dort wirtschaftliche Probleme lösen helfen und so insgesamt dazu beitragen, Migration einzudämmen. Solche Projekte stehen für Win-Win-Lösungen, wie wir sie heute bräuchten. Auch hier gilt: Man müsste nur wollen.



Wer hingegen mit Traugott Wahlen, Rudolf Minger und General Guisan dem Trugbild einer sich selbst versorgenden Schweiz erliegt und meint, man sei vom 2. Weltkrieg massgeblich dank der eigenen Wehrhaftigkeit verschont geblieben, macht sich zum nützlichen Geschichtsklitterer gewisser Milliardäre, die ein wirtschaftliches und persönliches Interesse daran haben, dass sich die Schweiz nicht oder nur noch rückwärts bewegt.



Respekt und Kooperation sind die Maximen einer Politik des 21. Jahrhundert, meint deshalb Helmut Schmidt, und der Nunninger Historiker Urs Altermatt mahnt: „Die Schweiz muss in die EU – früher oder später“. EU und UNO sind als Friedensprojekte gedacht. Diese Institutionen sind nicht in erster Linie, als was sie sich uns gegenwärtig darstellen, und schon gar nicht des Teufels, sondern, was wir aus ihnen machen werden!



Der zunehmende nationalistische Trend in Europa macht mir grosse Sorgen, denn zu erwartende Krisen (Energieknappheit, „Peak Oil“ etc.) können bewirken, dass bestehende Konflikte blitzschnell eskalieren. Mehr Kooperation ist zunächst und immer ein Wagnis, schwieriger und unbequemer als der Rückzug ins vertraute Schneckenhaus. Rückschläge sind zudem nie Beweis dafür, dass Kooperation nicht funktioniert, und es ist hämisch, internationale Zusammenarbeit überall zu bekämpfen und danach süffisant zu bemerken, diese funktioniere nicht und Völkergemeinschaft sei eine unrealistische Utopie von Gutmenschen.



Der Erfolg der Verhinderungspolitik von SVP, AUNS und anderer nationalistischer und populistischer Bewegungen in Europa und den USA gäbe mir eigentlich wenig Anlass zur Hoffnung auf eine lebenswerte Zukunft für meine Kinder. Aber hätte ich diese bereits aufgegeben, würde ich im Wochenblatt und anderswo nicht länger kritisieren und den „schrecklichen Vereinfachern“ mit ihren „simplen Lösungsansätzen“ (Remo Ankli in seiner letzten „Denkpause“) widersprechen. Ich möchte damit auch andere ermutigen, sich ebenfalls einzumischen. Unsere direkte Demokratie funktioniert nur, solange Menschen öffentlich darüber debattieren, was die Gesellschaft vorwärts bringt - und was nicht. Dies gilt auch und gerade für die Frage, welche Art von Debatten uns vorwärts bringen - und welche nicht. Und hier plädiere ich eindringlich für mehr Kopf und etwas weniger Angst!

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