Montag, 25. April 2011

Antwort an Peter M. Linz

Peter M. Linz, AUNS-Mitglied und Vizepräsident der SVP Schwarzbubenland, fordert mich in seinem Leserbrief auf, statt immer nur zu kritisieren aufzuzeigen, wie die direkte Demokratie und unsere Verfassung vor „EU-Imperialismus“, der anmassenden UNO und „sonstigem internationalen Recht“ geschützt werden kann. Das ist, wie wenn Herr Linz mich auffordern würde, endlich Lösungen aufzuzeigen gegen das zunehmend frecher werdende Auftreten des Burggeistes zu Gilgenberg. Ich kann daher nur versuchen, Herrn Linz nahe zu legen, nicht hinter allem böse Gespenster zu vermuten. Auf einen von Herrn Linz ebenfalls geforderten konkreten Lösungsvorschlag in Zusammenhang mit dem Energie- und Migrationsproblem werde ich hingegen hinweisen können.



Im Gegensatz zu Herrn Linz sehe ich im internationalen Recht nicht ausschliesslich etwas Bedrohliches. Internationales Recht kann im Gegenteil die Demokratie und die freiheitliche Verfassung eines Staates schützen. Diesem Zweck dient zum Beispiel die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK): Ohne Grundrechte ist Demokratie undenkbar (vgl. meine „Denkpause“ mit dem Titel „Das Volk hat immer recht!“), und die EMRK schützt unsere Grundrechte dort, wo es ein Nationalstaat mit dem Grundrechtsschutz seiner Bürgerinnen und Bürger nicht so ernst nimmt und der staatliche Übergriff droht – auch infolge eines demokratischen Volksentscheids. Ich bin deshalb froh, gibt es die EMRK, welche mich in meinem Minderheitendasein als Muslim, Katholik, Linker, SVPler, Homosexueller oder Querdenker vor einem Staat schützt, sollte dieser mir Minderheitenschutz verwehren.



Wer die EU pauschal als bösen Feind und undemokratisches Gebilde hinstellt, erweist der Demokratie einen Bärendienst: Wir befinden uns im Herzen Europas und sind von der Vereinheitlichung des Rechts betroffen, ob wir wollen oder nicht. Als Nichtmitglied können wir im demokratisch legitimierten Ministerrat oder EU-Parlament hingegen bei dieser Rechtsvereinheitlichung nicht mitbestimmen, und dies ist zutiefst undemokratisch.



Statt jeden zukunftsweisenden Lösungsansatz zu verteufeln, gälte es endlich zu erkennen, dass die Menschheit im Atomzeitalter ihre Probleme nur noch gemeinsam lösen kann, und zwar durch Transnationalisierung von Demokratie. Wir sitzen alle im selben Boot und haben seit 1945 enorm viel Glück gehabt, man denke nur an die Kuba-Krise oder daran, was sonst noch alles hätte schief gehen können. Wer einwendet, dass Völker sich schon immer bekriegt hätten und mehr Kooperation als Utopie bezeichnet, nimmt einen unbewohnbaren Planeten nicht nur vorauseilend in Kauf, sondern trägt durch sein Nichtstun dazu bei, dass Utopien Utopien bleiben und sich die eigene pessimistische Prophezeiung bewahrheitet. Gerade die Entstehungsgeschichte der Schweiz zeigt, dass das vermeintlich Unmögliche auch gelingen kann. Man muss nur wollen.



Auch die Zuwanderung gehört zu jenen zurzeit wahltaktisch in übelster Weise instrumentalisierten „Problemen“, die man in einer zunehmend vernetzten Welt nur noch durch Kooperation mit anderen Staaten lösen kann. Projekte wie „Desertec“ sind hier wegweisend: Dieses Projekt würde hier Energie- und dort wirtschaftliche Probleme lösen helfen und so insgesamt dazu beitragen, Migration einzudämmen. Solche Projekte stehen für Win-Win-Lösungen, wie wir sie heute bräuchten. Auch hier gilt: Man müsste nur wollen.



Wer hingegen mit Traugott Wahlen, Rudolf Minger und General Guisan dem Trugbild einer sich selbst versorgenden Schweiz erliegt und meint, man sei vom 2. Weltkrieg massgeblich dank der eigenen Wehrhaftigkeit verschont geblieben, macht sich zum nützlichen Geschichtsklitterer gewisser Milliardäre, die ein wirtschaftliches und persönliches Interesse daran haben, dass sich die Schweiz nicht oder nur noch rückwärts bewegt.



Respekt und Kooperation sind die Maximen einer Politik des 21. Jahrhundert, meint deshalb Helmut Schmidt, und der Nunninger Historiker Urs Altermatt mahnt: „Die Schweiz muss in die EU – früher oder später“. EU und UNO sind als Friedensprojekte gedacht. Diese Institutionen sind nicht in erster Linie, als was sie sich uns gegenwärtig darstellen, und schon gar nicht des Teufels, sondern, was wir aus ihnen machen werden!



Der zunehmende nationalistische Trend in Europa macht mir grosse Sorgen, denn zu erwartende Krisen (Energieknappheit, „Peak Oil“ etc.) können bewirken, dass bestehende Konflikte blitzschnell eskalieren. Mehr Kooperation ist zunächst und immer ein Wagnis, schwieriger und unbequemer als der Rückzug ins vertraute Schneckenhaus. Rückschläge sind zudem nie Beweis dafür, dass Kooperation nicht funktioniert, und es ist hämisch, internationale Zusammenarbeit überall zu bekämpfen und danach süffisant zu bemerken, diese funktioniere nicht und Völkergemeinschaft sei eine unrealistische Utopie von Gutmenschen.



Der Erfolg der Verhinderungspolitik von SVP, AUNS und anderer nationalistischer und populistischer Bewegungen in Europa und den USA gäbe mir eigentlich wenig Anlass zur Hoffnung auf eine lebenswerte Zukunft für meine Kinder. Aber hätte ich diese bereits aufgegeben, würde ich im Wochenblatt und anderswo nicht länger kritisieren und den „schrecklichen Vereinfachern“ mit ihren „simplen Lösungsansätzen“ (Remo Ankli in seiner letzten „Denkpause“) widersprechen. Ich möchte damit auch andere ermutigen, sich ebenfalls einzumischen. Unsere direkte Demokratie funktioniert nur, solange Menschen öffentlich darüber debattieren, was die Gesellschaft vorwärts bringt - und was nicht. Dies gilt auch und gerade für die Frage, welche Art von Debatten uns vorwärts bringen - und welche nicht. Und hier plädiere ich eindringlich für mehr Kopf und etwas weniger Angst!

Sonntag, 24. April 2011

Jesus – Störer stiller Freuden

(Gekürzt in der BaZ vom 29. April 2011, ungekürzt auf der webpage von "Rettet Basel")

In der BaZ predigen in letzter Zeit merkwürdige Theologen. „Wenn andere sich um die Verbesserung der Verhältnisse bemühen, verweist Christus auf das Jenseits“, räsoniert Markus Somm in seiner Osterandacht, und spricht Jesus damit diesseitiges Engagement ab. Vertröstung aufs Jenseits war schon immer im Sinne der Mächtigen, auch der Kirche. Ob auch Christus sein Amt als abgeschwächtes, bloss unweltliches aufgefasst hat, scheint dagegen fraglich. Jesus soll ohne alle Leidenschaft gewesen sein, dabei hatte er eine der stärksten: Den Zorn! Dass er den Wechslern im Tempel die Tische umwarf passt jedenfalls schlecht ins Bild eines weltflüchtigen Messias. Das Seligpreisen der Friedfertigkeit ist wohl Vorwegnahme jenes Reichs, welches Jesus vorschwebte und welches er nahe glaubte: Eine friedliche Welt, in welcher Menschen nicht ausschliesslich auf eigene Vorteile bedacht sind und nicht das flüchtige Ich, sondern das Begegnende im Vordergrund steht. Für die Herbeiführung des Reichs und die Austreibung der Wechsler steht dagegen das Wort: „Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert“ (Matth., 10, 34). Gewaltverzicht hiess auch niemals Dulden von Unrecht, welches nicht einem selber, sondern anderen zugefügt wird. Die subversive Kraft der Botschaft Jesu liegt wohl genau darin, dass er Rechte für Schwache hier und jetzt eingefordert hat und sich damit gegen jede Vertröstung wandte. Mit der unangenehmen Spannung „zwischen der Realität, die er an sich genoss, und einem Glauben, der diese stille Freude dauernd denunzierte“ (Somm) muss in einem aufgeklärten Christentum nur leben, wer auf Kosten von Schwachen geniesst und sich für seine Vorzugsbehandlung vor Mächtigen bückt. Zu solchen hat Jesus nicht gepredigt. Christentum ist, was wir Menschen heute daraus machen. "Dies septimus nos ipsi erimus" (Augustinus): Ob die Schöpfung eine Zukunft hat hängt nun massgeblich davon ab, ob wir uns selbst um die Verbesserung der Verhältnisse bemühen und nicht auf Hilfe von oben warten.

Montag, 18. April 2011

Für eine Allianz der Vernunft

(webpage von "Rettet Basel", 18. April 2011)
„Eine Protestpartei macht sich selbst überflüssig, wenn man sie mehr in die Verantwortung einbindet.“
Dieses Argument hört man in letzter Zeit oft, und es leuchtet auf den ersten Blick ein. Umgekehrt lehrt uns die Geschichte, dass dieser Schuss auch nach hinten losgehen kann, nämlich dann, wenn es einer Protestpartei nicht mehr auch um die Lösung der tatsächlichen Probleme, sondern nur noch um reine Machtpolitik geht.
Dass letzteres bei der SVP der Fall ist, zeigt nicht erst die Verknüpfung der Energie- mit der Ausländerfrage, sondern etwa bereits der schludrige Deliktskatalog der Ausschaffungsinitiative. Populisten geht es nicht um die Lösung der drängenden gesellschaftlichen Probleme – wozu die „Ausländerfrage“ gehören mag oder nicht –, sondern ausschliesslich um die Stärkung ihrer Machtbasis durch Wählerzuwachs.
Zuwachs erhalten Populisten durch das Stiften konsumierbarer Identität, deren Kehrseite die Aus- und Abgrenzung ist. Die Spaltung der Gesellschaft oder Völkergemeinschaft ist deshalb Programm. Ob sich die Hetze gegen Ausländer, Linke, Lehrer, Scheininvalide, Scheinarme, Scheinbürgerliche, Europa oder staatliche Leistungsträger richtet, ist letztlich völlig zweitrangig.
Wer auf diese Weise politisiert, missbraucht die Demokratie. Demokraten von links bis rechts eint dagegen der Wille, einen Missbrauch der Demokratie nicht zuzulassen. Soll man also einer Partei mehr Verantwortung übertragen, welche in einer unverschämt unverblümten Weise die Demokratie missbraucht und sich in grotesker Verkehrung der Tatsachen noch als deren Hüterin verkauft? Oder gälte es endlich, das Kind beim Namen zu nennen, selbst auf die Gefahr hin, dass dies die Schweiz noch mehr polarisiert?
Gegen Polarisierung ist nichts getan, wenn man sich bei der SVP anbiedert. Man läuft im Gegenteil Gefahr, die eigenen Prinzipien zu verkaufen für einen "Frieden", den andere gar nicht wollen. In der Folge unterliegt man gerade deshalb: Weil man sich Prinzipienlosigkeit vorhalten lassen muss. Das Schicksal der "alten Mitte" bei den jüngsten Kantonsratswahlen scheint diese Vermutung zu belegen.
Gegen Polarisierung wäre aber etwas getan, wenn nun diejenigen Kräfte wieder zusammenarbeiten, die sich unserer rechtsstaatlichen, gewaltengeteilten und auf Grundrechten basierten Demokratie verpflichtet fühlen. Es gälte also eine ganz andere Phalanx zu schliessen als diejenige der "Bürgerlichen", nämlich diejenige der Handlungswilligen von links bis rechts.
Voraussetzung eines solchen Schulterschlusses wäre allerdings, dass die Bürgerlichen endlich damit aufhörten, das Spiel der SVP zu spielen: nämlich staatliche Leistungsträger, Linke, Grüne und überhaupt Menschen, die sich für das Allgemeinwohl einsetzen, andauernd zu beargwöhnen und pauschal als staatsgläubige Leistungsverächter, Sozialisten (mittlerweile ein Schimpfwort) oder Kommunisten zu diffamieren.
Der „Staat“ sind wir alle. Die meisten Rechten und Linken eint, dass sie dem Primat von Politik und Demokratie verpflichtet sind. Dies unterscheidet sie von Extremisten beider Lager: Reiner Wettbewerb, das Recht des Stärkeren, ist ein Steuerungsinstrument, welches in der Wirtschaft seine Berechtigung hat. Freiheit und Demokratie hingegen fussen auf dem gegenteiligen Prinzip, der Solidarität mit den Schwachen und dem Respekt vor Minderheiten. Umgekehrt steht ausser Frage, dass man nicht versuchen soll, eine Gesellschaft gewaltsam zu verändern, alleine schon deshalb, weil man es nicht kann.
Matthias Bertschinger ist Jurist, Gartenbauunternehmer, Mitglied der Grünen, FDP-Gemeinderat in Nunningen, Vorstandsmitglied im Förderkreis Club Helvétique sowie weiteren überparteilichen Organisationen, welche einer weltoffenen und demokratischen Schweiz verpflichtet sind.

Donnerstag, 14. April 2011

Für eine Allianz der Vernunft

(Basellendschaftliche Zeitung vom 16.4.2011)


Ist das CVP-Nein zum SVP-Mitglied Sebastian Frehner als Basler Ständeratskandidat aller Bürgerlichen bedauerlich, weil sich eine Protestpartei selbst überflüssig macht, wenn man sie mehr in die Verantwortung einbindet? Die Argumentation leuchtet zwar auf den ersten Blick ein. Die Geschichte lehrt uns aber, dass dieser Schuss auch hinten hinausgehen kann - nämlich dann, wenn es einer Protestpartei nicht um Sachfragen, sondern nur noch um reine Machtpolitik geht. Dass Letzteres bei der SVP der Fall ist, zeigt nicht erst die Verknüpfung der Energie- mit der Ausländerfrage. Der SVP geht es nicht um die Lösung der drängenden Probleme unserer Gesellschaft, wozu die Ausländerfrage gehören mag oder nicht, sondern ausschliesslich um die Stärkung ihrer Machtbasis durch Wählerzuwachs. Zuwachs erhält die SVP durch das Stiften konsumierbarer Identität, deren Kehrseite die Aus- und Abgrenzung ist. Die Spaltung der Gesellschaft oder Völkergemeinschaft ist deshalb Programm. Ob sich die Hetze gegen Ausländer, Linke, Lehrer, Scheininvalide, Scheinarme, Scheinbürgerliche, Europa oder staatliche Leistungsträger richtet, ist völlig zweitrangig. Wer auf diese Weise politisiert, missbraucht die Demokratie. Demokraten von links bis rechts eint dagegen der Wille, einen Missbrauch der Demokratie nicht zuzulassen. Soll man also einer Partei mehr Verantwortung übertragen, welche in einer unverschämt unverblümten Weise die Demokratie missbraucht und sich in demagogischer Verkehrung der Tatsachen noch als Hüterin derselben verkauft? Oder gälte es endlich, das Kind beim Namen zu nennen, selbst auf die Gefahr hin, dass dies die Schweiz noch mehr polarisiert? Gegen Polarisierung ist nichts getan, wenn man sich bei der SVP anbiedert. Man läuft im Gegenteil Gefahr, die eigenen Prinzipien zu verkaufen für einen «Frieden», den andere gar nicht wollen. In der Folge unterliegt man gerade deshalb, weil man sich Prinzipienlosigkeit vorhalten lassen muss. Das Schicksal der «alten Mitte» bei den jüngsten Kantonsratswahlen scheint diese Vermutung zu belegen. Gegen Polarisierung wäre aber etwas getan, wenn nun diejenigen Kräfte wieder zusammenarbeiten, die sich unserer rechtsstaatlichen, gewaltengeteilten und auf Grundrechten basierten Demokratie verpflichtet fühlen. Es gälte also eine ganz andere Phalanx zu schliessen als die der «Bürgerlichen», nämlich die der Handlungswilligen von links bis rechts. Die enormen Probleme der Gegenwart erfordern endlich eine Allianz der Vernunft. Wenn diese Einsicht die CVP Basel-Stadt bewogen hat, Abstand von der Unterstützung eines Kandidaten zu nehmen, der sich zu den «Werten» der SVP bekennt, beglückwünsche ich sie zu ihrem Entscheid.


Mittwoch, 13. April 2011

Ecopop und Desertec

Es wäre zu wünschen, wir Schweizer würden endlich der Tatsache ins Auge blicken, dass man im Atomzeitalter die immensen Menschheitsprobleme nicht mehr durch Aus- und Abgrenzung lösen kann, sondern nur noch durch intensivere, länderübergreifende Zusammenarbeit. Sicherheit gewinnt man heute nicht mehr mit "altbewährten Mitteln", und je mehr wir auf diese zurückgreifen, desto mehr fehlt uns die Zeit, uns mit den wirklichen Menschheitsproblemen zu befassen, gemeinsam mit anderen Staaten statt in ermüdendem Geplänkel gegen sie. Für eine solche länderübergreifende Zusammenarbeit steht nicht nur die EU, sondern z.B. auch das Projekt 'Desertec', welches sowohl einen Beitrag zur Lösung unserer Energieprobleme als auch zur Linderung der wirtschaftlichen Misere in den Maghreb-Staaten leisten könnte (Stichwort Wirtschaftsflüchtlinge). Wenn Völkerverständigung eine Utopie sein soll, ist es auch eine Utopie, welche wir unserer Entscheidung zugrunde gelegt haben, in unserer Zeit überhaupt noch Kinder zu zeugen!

Desertec

Desertec geht in die richtige Richtung, einmal abgesehen davon, dass dezentraler Energieerzeugung wo immer möglich der Vorzug gegeben werden sollte. Desertec wäre ein Win-Win-Projekt, ein Beitrag nicht nur zur Lösung unserer Energieprobleme, sondern auch ein Beitrag zur Lösung der wirtschaftlichen Misere in denjenigen Ländern, welche Europa diesen Strom liefern würden (Stichwort Wirtschaftsflüchtlinge). Desertec steht für ein Projekt, welches insoweit die richtige Richtung aufzeigt: Im Atomzeitalter kann man die immensen Probleme der Menschheit nur noch gemeinsam lösen. Sicherheit gewinnt man im Atomzeitalter nicht mehr durch nationalistische Abschottung, sondern nur noch durch intensivere und länderübergreifende Zusammenarbeit.

Dienstag, 12. April 2011

Liberale Energiepolitik

Verbote und Einschränkungen sind nicht einfach das Gegenteil von liberal. Wenn der Staat Rahmenbedingungen setzt, "diktiert" er gerade nicht einen "richtigen" Weg, sondern schafft im Gegenteil Raum für Innovationen seiner Bürger, Raum für Lösungen, die eine Gesellschaft zukunftsfähig machen. Zu einer liberalen Enrgiepolitik gehörte daher der Mut, das Angebot nicht erneuerbarer Energien sukzessive einzuschränken und dem Markt zu überlassen, wie er darauf reagiert. Das leidige Ausspielen von Freiheit gegen den Staat sollte uns skeptisch machen: cui bono?

Konrad Hummlers reflexartige Skepsis

"Das ist es, was wir von unseren Redaktionen verlangen müssen: grundsätzliche Skepsis gegenüber allen Äusserungen von Macht", apelliert Hummler an seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (NZZ, 12.4.2001 S. 23). Doch Macht übt nicht nur der Staat aus. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der NZZ wäre deshalb zu wünschen, sie begegneten Macht auch dort mit der gebührenden "reflexartigen Skepsis", wo diese nicht vom Staat, sondern von natürlichen oder juristischen Personen ausgeht: Geld ist auch Macht!
Der demokratische Staat - und nicht der Markt, das Recht des Stärkeren - schützt die Freiheit von uns allen vor übermässigen Machtansprüchen weniger. Der "Freisinn" überlege sich deshalb gut, ob er weiterhin in das populistische Lied derer einstimmen soll, die den demokratischen Staat durch Diffamierung unterhöhlen. Rundumschläge gegen den Staat sind nicht freisinnig, sondern berechnend populistisch, im besten Fall ideologisch.

Samstag, 9. April 2011

"Sozialneid", Kapitalismuskritik und Linksradikalismus

Wenn man sich dagegen wehrt, dass eine Gesellschaft gewissen Menschen das Recht einräumt, ihr Leben auf Kosten anderer zu bestreiten - ohne je selbst einen Finger zu krümmen und Leistung erbringen zu müssen -, ist das eine Kapitalismuskritik, die weder mit Sozialneid noch mit Linksradikalismus etwas zu tun hat. Kapitalismuskritiker pauschal als Leistungsverächter und Extremisten zu bezeichnen ist Populismus in Reinkultur.

Freitag, 8. April 2011

Es reicht! (Kurzvariante)

«Ohne Zuwanderung könnten wir uns heute das AKW Mühleberg sparen». Dass es zu solchen Aussagen kommt, war leider abzusehen.

Die Ausschaffung von Energiekonsumenten führt nicht zur Abschaltung auch nur eines Atomkraftwerks, ohne dass woanders ein anderes ans Netz müsste. Als hätte es noch eines weiteren Beweises (und dieses Einwandes) bedurft: Den SVP-Führern geht es nicht darum, Lösungen für anstehende Probleme aufzuzeigen – und zu diesen mag die „Ausländerfrage“ gehören oder nicht –, sondern darum, ein fremdenfeindliches Klima zu erzeugen, um durch Zugewinn von Angst- und Wutwählern die eigene Machtbasis noch weiter auszubauen.

Menschen mit einem emotionalen Zugang zur Welt sind Demagogen ausgeliefert, wo man diese gewähren und die Demokratie missbrauchen lässt. Das soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass viele Menschen sich freiwillig ausliefern – aus Bequemlichkeit und Denkfaulheit. Wer die Wahl hat zwischen Kopf- und Bauchentscheid trägt deshalb eine Mitverantwortung am Betrug, den Machthungrige an uns allen begehen.

Für Schweizerinnen und Schweizer, die nicht den bequemen Weg wählen, ist der wachsende Populismus zutiefst beschämend. Ihnen gilt Stéphane Hessels Aufforderung: Engagiert Euch! Das Mass ist voll!

Brief an die Konzernleitungen schweizerischer Unternehmen

Sehr geehrte Damen und Herren
Dass die SVP nur kriminelle Ausländer im Visier hat, ist seit der Stellungsnahme ihres Präsidenten vom vergangenen Sonntag widerlegt. Der SVP muss spätestens seit der Verknüpfung der Energiefrage mit der "Ausländerfrage" akute Fremdenfeindlichkeit attestiert werden. Es gibt anscheinend keine Sachfragen, welche diese Partei nicht mit dem „Ausländerproblem“ in Verbindung zu bringen im Stande ist. Der SVP geht es nicht um die Lösung der drängenden Probleme unserer Gesellschaft – wozu die Ausländerfrage gehören mag oder nicht –, sondern um das Schüren von Ausländerfeindlichkeit für zweckfremde Anliegen. Dies kann aber auch der Wirtschaft nicht recht sein.
Noch wird Ihren ausländischen Mitarbeitern auf der Strasse meistens freundlich begegnet.
Noch gibt es keine Bürgerwehren gegen kriminelle Ausländer, die „aus Versehen“ auch mal gegen Unbescholtene oder Partei-Kritiker handgreiflich werden. Noch wird man selten bedroht, wenn man sich öffentlich für ein Klima des Miteinanders stark macht. Dies kann sich aber schleichend oder schnell ändern, wie die Situation in Ungarn zeigt oder zurückliegende geschichtliche Entwicklungen lehren, und man sollte vorbeugen, solange man noch kann. Abgesehen davon gebietet der Respekt gegenüber unseren Mitmenschen ohne Schweizerpass, zur zunehmenden Ausländerfeindlichkeit nicht länger zu schweigen.
Es besteht ein eklatantes finanzielles Ungleichgewicht zwischen denjenigen, die Ressentiments gegen Ausländer schüren und denjenigen, die sich dagegen wehren. Ich bitte Sie deshalb, die finanziell schwächere Seite zu unterstützen. Ich bitte Sie, sich ebenfalls gegen die zunehmende Fremdenfeindlichkeit in unserem Land zu wehren. Ich bitte Sie, sich für eine demokratische und weltoffene Schweiz sowie für mehr Transparenz bei der Parteienfinanzierung einzusetzen. Ihre parteipolitische Neutralität verbietet Ihnen nicht, sich gegen gefährliche Entwicklungen zu stellen – schon gar nicht, wenn diese Entwicklungen Ihren fundamentalen wirtschaftlichen Interessen zuwider laufen.
Mit freundlichen Grüssen
Lic. iur. Matthias Bertschinger
Unternehmer und Vorstandsmitglied in mehreren zivilgesellschaftlichen Vereinigungen, welche sich für Menschenrechte, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und eine weltoffene Schweiz einsetzen.
Innere Engi 14, 4208 Nunningen

Donnerstag, 7. April 2011

Es reicht!

(Leserbrief in "Der Sonntag", Ausgabe von Baselland, 10.4.2011, Wochenblatt für das Laufental und Schwarzbubenland vom 14.4.2011, webpage von "Rettet Basel", etc.)
In der SVP kommt es zum intellektuellen Super-GAU: «Ohne Zuwanderung könnten wir uns heute das AKW Mühleberg sparen». Dass es zu solchen Aussagen kommt, war leider abzusehen. Aber wenn wir jetzt nicht aufpassen, fahren wir die Schweiz gegen die Wand.
Die Ausschaffung von Energiekonsumenten führt nicht zur Abschaltung auch nur eines Atomkraftwerks, ohne dass woanders ein anderes ans Netz müsste. Als hätte es noch eines weiteren Beweises (und dieses Einwandes) bedurft: Den SVP-Führern geht es nicht darum, Lösungen für anstehende Probleme aufzuzeigen – und zu diesen mag die „Ausländerfrage“ gehören oder nicht –, sondern darum, ein fremdenfeindliches Klima zu erzeugen, um durch Zugewinn von Angst- und Wutwählern die eigene Machtbasis noch weiter auszubauen. Den SVP-Führern geht es um die totale Macht.
Es gibt anscheinend keine Sachfragen, welche SVP-Führer nicht mit dem „Ausländerproblem“ in Verbindung zu bringen im Stande wären. Es gibt offenbar auch keine Ereignisse, die schrecklich genug sind, dass SVP-Führer für einmal davor zurückschrecken würden, eine solche Verbindung herzustellen. Ihnen ist jeder Anlass recht, um gegen Ausländer zu hetzen; oder gegen „unrichtige“ Schweizer, Schwache, Invalide, Gutmenschen, Lehrer, Linke, Intellektuelle, „die da oben“, Europa und überhaupt gegen alles Fremde und Unvertraute – fremd, weil höchstens unzureichend verstanden.
Menschen mit einem emotionalen Zugang zur Welt sind Demagogen ausgeliefert, wo man diese gewähren und die Demokratie missbrauchen lässt. Das soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass viele Menschen sich freiwillig ausliefern – aus Bequemlichkeit und Denkfaulheit. Wer die Wahl hat zwischen Kopf- und Bauchentscheid trägt deshalb eine Mitverantwortung am Betrug, den Machthungrige an uns allen begehen.
Für Schweizerinnen und Schweizer, die nicht den bequemen Weg wählen, ist der wachsende braune Sumpf zutiefst beschämend. Denjenigen, die nicht mit Totalitarismus- und Geschichts-Blindheit geschlagen sind, aber bisher noch geschwiegen haben, gilt die Aufforderung von Stéphane Hessel (intellektueller Ausländer und Gutmensch): Empört Euch! Engagiert Euch, meldet Euch zu Wort, spendet, geht endlich wählen – egal was – aber tut jetzt etwas, das Mass ist voll! Wenn man die anstehenden Umwelt- und sozialen Probleme lösen will, muss man zuerst die Bremser ausbremsen.
Die zunehmende Fremdenfeindlichkeit kann auch der Wirtschaft nicht recht sein. Den zahlreichen ausländischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wäre zu wünschen, ihre Unternehmen würden ebenfalls nicht länger schweigen und sich hinter „parteipolitischer Neutralität“ verstecken.