Montag, 18. April 2011

Für eine Allianz der Vernunft

(webpage von "Rettet Basel", 18. April 2011)
„Eine Protestpartei macht sich selbst überflüssig, wenn man sie mehr in die Verantwortung einbindet.“
Dieses Argument hört man in letzter Zeit oft, und es leuchtet auf den ersten Blick ein. Umgekehrt lehrt uns die Geschichte, dass dieser Schuss auch nach hinten losgehen kann, nämlich dann, wenn es einer Protestpartei nicht mehr auch um die Lösung der tatsächlichen Probleme, sondern nur noch um reine Machtpolitik geht.
Dass letzteres bei der SVP der Fall ist, zeigt nicht erst die Verknüpfung der Energie- mit der Ausländerfrage, sondern etwa bereits der schludrige Deliktskatalog der Ausschaffungsinitiative. Populisten geht es nicht um die Lösung der drängenden gesellschaftlichen Probleme – wozu die „Ausländerfrage“ gehören mag oder nicht –, sondern ausschliesslich um die Stärkung ihrer Machtbasis durch Wählerzuwachs.
Zuwachs erhalten Populisten durch das Stiften konsumierbarer Identität, deren Kehrseite die Aus- und Abgrenzung ist. Die Spaltung der Gesellschaft oder Völkergemeinschaft ist deshalb Programm. Ob sich die Hetze gegen Ausländer, Linke, Lehrer, Scheininvalide, Scheinarme, Scheinbürgerliche, Europa oder staatliche Leistungsträger richtet, ist letztlich völlig zweitrangig.
Wer auf diese Weise politisiert, missbraucht die Demokratie. Demokraten von links bis rechts eint dagegen der Wille, einen Missbrauch der Demokratie nicht zuzulassen. Soll man also einer Partei mehr Verantwortung übertragen, welche in einer unverschämt unverblümten Weise die Demokratie missbraucht und sich in grotesker Verkehrung der Tatsachen noch als deren Hüterin verkauft? Oder gälte es endlich, das Kind beim Namen zu nennen, selbst auf die Gefahr hin, dass dies die Schweiz noch mehr polarisiert?
Gegen Polarisierung ist nichts getan, wenn man sich bei der SVP anbiedert. Man läuft im Gegenteil Gefahr, die eigenen Prinzipien zu verkaufen für einen "Frieden", den andere gar nicht wollen. In der Folge unterliegt man gerade deshalb: Weil man sich Prinzipienlosigkeit vorhalten lassen muss. Das Schicksal der "alten Mitte" bei den jüngsten Kantonsratswahlen scheint diese Vermutung zu belegen.
Gegen Polarisierung wäre aber etwas getan, wenn nun diejenigen Kräfte wieder zusammenarbeiten, die sich unserer rechtsstaatlichen, gewaltengeteilten und auf Grundrechten basierten Demokratie verpflichtet fühlen. Es gälte also eine ganz andere Phalanx zu schliessen als diejenige der "Bürgerlichen", nämlich diejenige der Handlungswilligen von links bis rechts.
Voraussetzung eines solchen Schulterschlusses wäre allerdings, dass die Bürgerlichen endlich damit aufhörten, das Spiel der SVP zu spielen: nämlich staatliche Leistungsträger, Linke, Grüne und überhaupt Menschen, die sich für das Allgemeinwohl einsetzen, andauernd zu beargwöhnen und pauschal als staatsgläubige Leistungsverächter, Sozialisten (mittlerweile ein Schimpfwort) oder Kommunisten zu diffamieren.
Der „Staat“ sind wir alle. Die meisten Rechten und Linken eint, dass sie dem Primat von Politik und Demokratie verpflichtet sind. Dies unterscheidet sie von Extremisten beider Lager: Reiner Wettbewerb, das Recht des Stärkeren, ist ein Steuerungsinstrument, welches in der Wirtschaft seine Berechtigung hat. Freiheit und Demokratie hingegen fussen auf dem gegenteiligen Prinzip, der Solidarität mit den Schwachen und dem Respekt vor Minderheiten. Umgekehrt steht ausser Frage, dass man nicht versuchen soll, eine Gesellschaft gewaltsam zu verändern, alleine schon deshalb, weil man es nicht kann.
Matthias Bertschinger ist Jurist, Gartenbauunternehmer, Mitglied der Grünen, FDP-Gemeinderat in Nunningen, Vorstandsmitglied im Förderkreis Club Helvétique sowie weiteren überparteilichen Organisationen, welche einer weltoffenen und demokratischen Schweiz verpflichtet sind.

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