Sonntag, 16. März 2014

Islamophobe Rundumschläge

Schweiz am Sonntag, 23. März 2014

In den letzten beiden Ausgaben der Schweiz am Sonntag wurden Leserbriefe veröffentlicht, die sich in Pauschalurteilen über den Islam erschöpfen. Der Islam wird als etwas Statisches hingestellt, das barbarisch, sexistisch, bedrohlich und aggressiv ist. Mit den Muslimen, die ich kenne, hat ein solcher Islam nichts zu tun.
Denjenigen, die Angehörige anderer Religionen diskreditieren unter dem Vorwand, Christen würden in anderen Ländern ja ebenfalls diskriminiert oder verfolgt, sei mit Papst Franziskus in Erinnerung gerufen, dass eine angemessene Interpretation des Korans jeder Gewalt entgegensteht. Das Christentum als solches ist ja auch noch nicht schlecht, weil in dessen Namen anderswo Homosexuelle verfolgt werden. Eine angemessene Interpretation der Bibel steht ebenfalls jeder Gewalt entgegen. Schliesslich hält Bischof Felix Gmür
mit Verweis auf eine Studie, die am 19. März in Luzern vorgestellt wurde, die Anerkennung und Einbindung weiterer Religionsgemeinschaften für das beste Mittel gegen die extremistische Auslegung religiöser Ansichten.
Solche deutlichen Aussagen dürften leider denjenigen Leserbriefschreibern kaum zu denken geben, die sich in ihren Rundumschlägen ausgerechnet auf christlich-abendländische Werte berufen. Gerade ihre Pauschalurteile sind aber eine wesentliche Ursache für die Distanzierung von der Mehrheitsgesellschaft oder eine Radikalisierung, die sie den Muslimen vorhalten und für die sie „den Islam“ verantwortlich machen. Denn Stigmatisierte übernehmen laut dem Soziologen Oliver Wäckerlig unsere Zuschreibungen: Der „Einengung auf eine religiöse Identität, verbunden mit einer Stigmatisierung derselben, können sich die muslimischen Diasporagruppen im Islamdiskurs nicht entziehen, worauf sie u.a. mit einer Selbststigmatisierung – gerade mit einer Betonung dieser von aussen diskreditierten Identität – antworten“ (aus: „Das Fanal von Wangen“).
Es darf gefragt werden, ob ressentimentgeladenen Rundumschlägen, die einzig darauf abzielen, Angehörige bestimmter Gruppen mundtot zu machen und die Gesellschaft zu spalten, weiterhin das Gütesiegel „Diskussionsbeitrag“ verliehen werden soll.

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