Sonntag, 16. Juni 2013

„Im Islam selbst“ liegt gar nichts

Basler Zeitung, 20. Juni 2013
In ihrer letzten Kolumne (BaZ vom 13. Juni 2013) affirmiert Regula Staempfli eine problematische Aussage des mit einer Fatwa (Morddrohung) belegten Hamed Abdel-Samad. Sie schreibt, Intellektuelle müssten festhalten, dass der religiöse Faschismus im Islam selbst liege. Faschismus liegt aber weder in einer bestimmten Religion noch in einem bestimmten Volksempfinden (z.B. der „deutschen Volksseele“). Extremisten ziehen Bereiche der Geltung wie die Religion, das Volk bzw. die Volksmeinung, den Staat oder die Wissenschaft bloss als Legitimation für Ihre Wahnsinnstaten heran, die sie aus Selbstherrlichkeit begehen. Dafür interpretieren Extremisten Religion und Mythos fundamentalistisch, z.B. buchstabengetreu, und reduzieren sie auf diese Auslegung.
Islamistische Extremisten berufen sich also genauso auf den Islam wie die Inquisitoren sich auf das Christentum beriefen. Doch die Hexenverbrennungen machen das Christentum als solches ebenso wenig faschistisch wie etwa der Missbrauch des Gewaltmonopols den Staat als solchen. Ebenso wenig sind die Wissenschaften faschistisch, bloss weil sich Nationalsozialisten auf den Darwinismus oder die Vererbungslehre beriefen und sie in sozialdarwinistischer Manier interpretierten, um die Ermordung von Millionen angeblich minderwertiger Menschen zu rechtfertigen.
Es ist zu bedauern, wenn eine so kluge Politologin wie Regula Staempfli unreflektierte Vorurteile bedient und so am Bild der „minderwertigen Anderen“ mitbastelt – genau das ist faschistisch! –, anstatt zum Abbau von Hass unter den Gemeinschaften beizutragen und dafür ihre Bekanntheit zu nutzen.

Freitag, 14. Juni 2013

Ignorante Doppelmoral

Basellandschaftliche Zeitung, 15. Juni 2013

Wievielen von denen, die sich heute über ausstehende Steuerschulden empören und den Pranger für Steuerschuldner fordern, gibt es nichts zu denken, dass die Schweiz mit ihrem Bankgeheimnis genau solchen Abschleichern hilft!
Alt Bundesrat Rudolf Merz sagte: "Das Bankkundengeheimnis darf man nicht in einen ethischen Zusammenhang stellen". Wird ein ausländisches Gemeinwesen um sein Steuersubstrat geprellt, soll dies ein legitimes Geschäft sein. Ist aber ein einheimisches Gemeinwesen betroffen, ist die Empörung plötzlich gross. Es ist diese ignorante Doppelmoral, die uns Schweizern im Ausland Sympathie kostet. (Für diejenigen, die meinen, Ethik habe in der Politik nichts zu suchen: Ich spreche von einem Standortnachteil!)

Donnerstag, 6. Juni 2013

"Demokratie am Abgrund"

Basellandschaftliche Zeitung, 7. Juni 2013

Wesentliche Entscheide könne man nicht dem Volk überlassen. Zu diesem Schluss müsse man kommen, wenn die 1:12-Initiative angenommen werde, so Markus Gisler in der bz. vom 6. Juni. Alle argumentativ starken Kräfte im Land seien deshalb angehalten, Überzeugungsarbeit zu leisten.
Von solchen der Demokratie verpflichteten Mahnern mit dem "Gespür für ökonomisch 'richtige', der Prosperität verpflichtete Entscheide" hörte man herzlich wenig, als mit Initiativen, die scheinbar nur andere betreffen, Fundamentalnormen einer Demokratie wie das Verhältnismässigkeitsprinzip ausgehebelt werden sollten. Jetzt, wo es um den eigenen Säckel geht, sieht man plötzlich rot. Über Sinn und Unsinn der 1:12-Initiative lässt sich streiten. Ich frage mich allerdings, wievielen von denen, die jetzt plötzlich aufschreien und die "Demokratie am Abgrund" sehen, es wirklich um Freiheit und Demokratie geht.