Donnerstag, 13. September 2012

Werbung versus Demokratie

Infosperber & Wochenblatt für das Laufental und Schwarzbubenland, 20. September 2012

Werbung nervt, wo sie Verstand und Geschmack beleidigt. Mich nervt sie auch, wo sie als Kunst daherkommt. Weil Kunst sich ihrer Sache entäussert, wo sie zur Werbung wird. Kunst und auch Politik entäussern sich ihrer Sache dort, wo es ihnen darum geht, Menschen nur etwas anzudrehen. Damit halten sie Menschen von dem ab, was sie etwas angeht. Es ist das, was mich an Werbung nervt: Dass sie uns für blöd verkauft, indem sie uns nach dem Mund redet und uns so am Ende selber blöd dastehen lässt; dass sie Information oder Volksnähe vortäuscht, aber Desinformation und Entmündigung will; dass sie das Subjekt verneint und damit in Widerspruch gerät zur Demokratie, die den Menschen für voll nimmt.


Ein Beispiel: Die Entschädigungen für Parlamentarier seien zu hoch, hört man immer wieder. Das schmeichelt dem Volk, Linke nicht ausgenommen: Haben doch „die da oben“ erst kürzlich Asylbewerber auf Nothilfe gesetzt. Die sollten mal bei sich selbst kürzen, geht das Gerede, das ausgerechnet ihren Vertretern schadet. Ein Nationalrat dürfe höchstens einen Drittel seines Gehalts mit dem Volksmandat verdienen, fordert Christoph Blocher in der Der Sonntag vom 9. Sept. 2012: "Und zwei Drittel in der freien Wirtschaft. Ich überlege mir, hier mit einer Initiative vors Volk zu gehen, um diesen Missstand zu beheben", so der Volkstribun. Nach Bern soll also nur noch, wer es sich leisten kann. Oder wer für Konzerne und Banken lobbyiert, wer Zigtausende für ein Verwaltungsratsmandat kassiert. Bestechlichkeit wird schöngeredet. Von "zwei Dritteln seiner Zeit in die Privatwirtschaft investieren" ist ja nicht die Rede.

Gute Gesetzgebung muss und darf etwas kosten, weil sie Arbeit ist. Wird diese nicht mehr anständig honoriert, sitzen in den Parlamenten bald nur noch jene, die es nicht nötig hätten, zu arbeiten: Marktschreier, die uns einreden, es sei sowieso der Markt, der alles zum Besten regle – und das erst noch gratis! Gesellschaft als Gestaltungsaufgabe? Ideologie! Demokratie? Bloss hinderlich, wenn auch uneingestandenermassen. Falls es zu dieser Initiative kommt, wird PR (neudeutsch für Werbung und Propaganda) wieder einmal dafür sorgen, dass das Volk den Missstand ausmacht, wo er nicht ist.

L'etat c'est moi: Heute kommt Absolutismus nicht mehr so unverblümt daher. Umso mehr kann er sich einschleichen. PR machts möglich. PR macht, dass wir mit denjenigen blöken, denen es um unsere Entmündigung geht. Geld regiert die Welt, aber nur dank uns Dummen. Man kann es auch umdrehen: Dummheit regiert die Welt, aber nur dank des Geldes. Denn das Wort hat, wer bezahlt. Argumente gehen da unter.

Eine reife Demokratie schwört auf Argumente und ist allergisch gegen Verführung jeder Art. Ein wichtiger Schritt hin zu einer solchen „démocratie à venir“ wäre, politische Arbeit endlich besser zu bezahlen. Doch es ist wie ein Kampf gegen Windmühlen: Dass uns beim Wort „Parteienfinanzierung“ die Galle hochkommt, verdanken wir nicht zuletzt PR-Leuten und dem, was sie tagtäglich absondern: „Bullshit“. (Ich empfehle das gleichnamige Buch von Harry G. Frankfurt zur Lektüre.)

Sonntag, 9. September 2012

Wir Dummen

(Der Sonntag, 16. Sept. 2012)

Ein Nationalrat dürfe höchstens einen Drittel des Gehalts mit dem Mandat verdienen, fordert Blocher (Der Sonntag, 9. Sept. 2012): "Und zwei Drittel in der freien Wirtschaft. Ich überlege mir, hier mit einer Initiative vors Volk zu gehen, um diesen Missstand zu beheben", so Blocher.
Nach Bern soll nur noch, wer es sich leisten kann, heisst das. Oder wer für Konzerne und Banken lobbyiert: wer Zehntausende für ein Verwaltungsratsmandat einkassiert. Korruption wird schöngeredet mit "zwei Drittel seines Gehalts in der Privatwirtschaft verdienen". Von "zwei Drittel seiner Zeit in die Privatwirtschaft investieren" ist ja nicht die Rede (wer wollte das auch messen?).
Soviel zum Demokratieverständnis dieses selbsternannten Patrioten. Die PR-Profis seiner Partei werden dafür sorgen, dass das Volk auch dieses Mal den Missstand ausmacht, wo er nicht ist. Geld regiert die Welt, aber nur dank uns Dummen.

Donnerstag, 6. September 2012

Degoutant



(Basellandschaftliche Zeitung vom 7. Sept. 2012)
Gotthard Frick schreibt in seinem Leserbrief (Basellandschaftliche Zeitung, 6. Sept. 2012) über den Steuerstreit, deutsche Politiker stellten die Interessen ihres Vaterlandes über das Recht, wenn sie gestohlene Steuer-CD kaufen. Frick zieht einen unappetitlichen Vergleich: Schon Hitler habe das, was er als Interesse des deutschen Vaterlandes betrachtete, weit über das Recht gestellt. Dieser Geist des Unrechts lebe bei deutschen Politikern offensichtlich weiter, so Frick. Es fragt sich allerdings, ob dieser Geist nur weht, wo ihn Frick ausmacht. Tatsache ist, dass gerade wir Schweizer
unsere „vaterländischen“ Interessen weit über die Moral stellen, wenn wir mit unserem Bankgeheimnis die Steuerhoheit anderer Länder untergraben. Sich laut über das Fehlverhalten anderer zu beklagen, um vom eigenen Fehlverhalten abzulenken, zeugt gerade von jenem Geist, dem es nur um die eigenen Vorteile geht. Unsere Kritik an den Deutschen ist geheuchelt, und wie sie daherkommt nicht selten degoutant.