Donnerstag, 26. Dezember 2013

Mythos "Erfolgsmodell Schweiz"

Newsletter NEBS vom 9. Januar 2014


Offenbar ist man sich über alle Parteigrenzen hinweg einig: Die Personenfreizügigkeit (PFZ) ist grundsätzlich etwas Schlechtes. Für Rechtskonservative gehört die PFZ zur "linken Utopie", ist Bestandteil der unumstösslichen "reinen Lehre". Für Teile der Linken ist sie ein Instrument des Neoliberalismus, Freipass zum Freihandel mit billigem "Humankapital". Alleine schon dieser Widerspruch müsste auf beiden Seiten zu denken geben. Für Teile der Grünen ist die PFZ Ursache von Umweltzerstörung anstatt Armutsmigration Folge fehlender Verteilungsgerechtigkeit. Und für den ganzen Rest ist die PFZ ein notwendiges Übel, eine Kröte, die man schlucken muss, wenn man die "bewährten Bilateralen" nicht gefährden will, die der Schweiz innerhalb des gemeinsamen Rechtsraumes der EU einen Sonderstatus einräumen. Dass die neu gewonnenen Grundfreiheiten der EU, von welchen die PFZ eine ist, ein verteidigungswürdiger Wert an sich sind, und dass ein gemeinsamer Rechtsraum eine langsame Angleichung ungleicher Lebensbedingungen – einer wesentlichen Ursache von Migration! – bezweckt, bleibt athematisch oder wird als "zentralistische Gleichmacherei" diskreditiert.
Den Anti-Isolationisten und ihren Kommunikationsfachleuten sei vorausgesagt: Europapolitische Abstimmungen lassen sich in Zukunft nicht mehr mit PR-Phrasen gewinnen, sondern nur noch, wenn man endlich an der bequemen und destruktiven Lebenslüge rüttelt, die Schweiz würde alles richtig machen und alle anderen – vorab die EU – alles falsch. Anspruch der EU ist es, gemeinsame Rahmenbedingungen zu schaffen, innerhalb welcher sich alle EuropäerInnen frei entfalten können (wo bleibt unser konstruktiver Beitrag?). Dabei ist der europäische Integrationsprozess eine Abfolge von Schritten, die in sich noch nicht perfekt sind. Daraus abzuleiten, das Projekt EU sei gescheitert, zeugt von einer überheblichen Verkennung der Situation, die nur eine irrationale Reaktion zur Folge haben kann. Mit anderen Worten: Abstimmungsergebnisse sind nur so gut wie die Sachverhalte, die man ihnen zugrunde legt.

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