Sonntag, 15. Dezember 2013

Glühende Anhänger

Alan Cassidy meint, der "glühende Anhänger der EU" Robert Menasse liege falsch. Aber was ist falsch an der Feststellung, dass Zuwanderung mit den ökonomischen und sozialen Unterschieden zwischen den Nationalstaaten zu tun hat, und dass man die "Probleme", die sich aus diesen Unterschieden ergeben, letztlich nur gemeinsam auf transnationaler Ebene lösen kann? Ist die Personenfreizügigkeit womöglich Teil der Lösung (die ihrerseits flankierende Massnahmen erfordert), um besagtes Ungleichgewicht auf ein erträgliches Mass abzusenken, und nicht das eigentliche Problem? Weshalb werden solche Fragen in den Medien kaum thematisiert? Weil die EU alles falsch machen muss?
Ja, noch spielt die Solidarität nur innerhalb nationaler Grenzen, wie Cassidy richtig bemerkt. Nur ist diese Bemerkung eine sich selbst erfüllende Prophezeiung. Denn Mitschuld an nationalistischer Blickfeldverengung tragen Journalisten wie er, die ein Einstehen für die Personenfreizügigkeit als "Gottesdienst" belächeln, transnationale Lösungsansätze als "ideologisch" diskreditieren und so erst bewirken, dass Solidarität nur innerhalb nationaler Grenzen spielt.
Eigentlich können wir es uns nicht leisten, diskussionswürdige Lösungsansätze unreflektiert als "zentralistisch", "bürokratisch" oder "unschweizerisch" abzutun. Denn genau so entstehen menschengemachte Katastrophen: Sie werden massgeblich herbeigeredet und herbeigeschwiegen. Gefragt wäre mehr Information, etwa über Hintergründe und Sinn und Zweck des europäischen Intergrationsprozesses. Aber wer will schon Gefahr laufen, als "glühender Anhänger der EU" hingestellt zu werden...

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen