Sonntag, 7. Juli 2013

Gedanken zum neusten Denknetz-Newsletter über Wissensproduktion

Die diskursive Konstruktion der Wirklichkeit (und des Geschlechts [Gender]), die soziale Bedingtheit des Wissens, das Sprachliche und Symbolische, das es zu dekonstruieren gälte, identitäre Zuschreibung, repressive Vereinheitlichungen, Diskriminierung und ökonomische Ausbeutungsprozesse etc. - all dies steht nicht nur im Interesse der sogenannten herrschenden Klasse und ihres Machterhalts, wie manche Marxisten glauben, sonderen auch im insgeheimen Interesse des "kleinen Mannes". Wie Heideeger richtig bemerkte, steht das, was er das "Man" nannte, im Dienst der Verblendung einer Erfahrung der Bedeutung des Todes. Soziale Konstruktion dient massgeblich dem Ausweichen einer "impressiven Entzügelung", der Flucht vor einer (psychotischen?) Erfahrung des Ausgesetztseins, der Illusion von Kontrolle über das Leben. Da ist mehr Metaphysik im Spiel, als sich manche Soziologen und Kulturanthropologen (von Verhaltensforschern ganz zu schweigen) je vorstellen können. Wir sind weit, weit, weit weg von dem, was sich mit Fug und Recht eine "Wissensgesellschaft" nennen kann. Ohne Explizitmachung der Strategien, wie wir Menschen uns selbst hinters Licht führen, perpetuieren sich die Katastrophen, in welche die Menschheit immer wieder hineinschlittert.
Wissenschaft ist von Interessen (mit-)bestimmt. "Aufgabe von Wissenschaftskritik wäre es demnach, diese Interessen zu entschlüsseln", wie es im Newsletter richtig heisst. Aber worin bestehen denn diese Interessen? Welche Motivation steht hinter der "Vorstellung der Werturtelisfreiheit" der Wissenschaft, "welche die real existierenden Verbindungen von Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Wissenschaft unsichtbar mach will"? Adorno spricht mit Blick auf diese Verbindungen von einem "Verblendungszusammenhang". Und wozu dieser dient, sagt er klar: Um über eine "Verzweiflung" hinwegzutäuschen, die sich hinter unseren Krämpfen wie dem "Krampf des Freut euch des Lebens" verbirgt.
Heidegger und Adorno standen sich näher, als sie es sich je eingestehen konnten.

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