Schweizerische Gewerbezeitung, 9. August 2013
"Politisch und rechtlich kritische Punkte werden im Rahmen des direktdemokratischen Diskurses während des Abtsimmungskampfes ausgefochten" (Schweizerischer Gewerbeverband in seinem Nein zur Ausdehnung der Ungültigkeitsgründe von Volksinitiativen auf den Kerngehalt der Grundrechte). Vergessen geht leider oft, dass der direktdemokratische Diskurs und der Abstimmungskampf selbst auf Grundrechten basieren, namentlich auf der Meinungsfreiheit, und dass die Demokratie deshalb aus logischen Gründen nicht am Ast sägen kann, auf dem sie selber sitzt. Grundrechtsverletzungen darf es deshalb nicht geben, schon gar nicht die Verletzungen des sogenannten Kerngehalts von Grundrechten.
Andererseits, und das spricht wieder für die Ansicht des Gewerbeverbands, gilt das berühmte Böckenförde-Diktum: "Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann". Das Recht kann sich auf die Länge nicht selber schützen (und umso schlechter ohne Verfassungsgerichtsbarkeit auf Bundesebene!), wenn die (Rechts-)Kultur erodiert, die den freiheitlichen, demokratischen und gewaltenteiligen Staat trägt. Der Gewerbeverband müsste also, wenn es ihm wirklich Ernst ist mit Demokratie und Diskurs (und nicht nur mit kurzfristigem Profit), manchmal etwas weniger populistisch politisieren.
Matthias Bertschinger
Jurist und ehem. Gartenbauer
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