Wir
Schweizer bräuchten mehr Selbstbewusstsein, lautet ein wohlmeinendes Mantra. "Selbstbewusstsein" ist aber nicht zwangsläufig das Gegenteil von
Minderwertigkeitskomplex, sondern oft Ausdruck davon.
"Selbstbewusstsein" ist eine Äquivokation, ein und derselbe Begriff für zwei paar Stiefel. "Selbstbewusstsein" steht für gesundes Selbstbewusstsein
wie für hybride Selbstüberhöhung, also ebenso für das pure Gegenteil, denn
gesundes Selbstbewusstsein impliziert
Bescheidenheit. (Dasselbe gilt für Äquivokationen wie "Freiheit",
"Selbstverantwortung" oder "Selbstbestimmung", weshalb diese Begriffe oft nur Worthülsen sind.) Ich
sehe keine zerfleischende Selbstkritik, die es zu überwinden gälte, sondern seit
Jahren ein unwürdiges Rückzugsgefecht, zum Beispiel beim Bankgeheimnis. Das
Motto lautet: Erst wenn alle einen Schritt vorwärts gemacht
haben, ziehen wir Schweizer nach. Solange das nicht der Fall ist, treten wir
zum Schaden einer transnationalen Zusammenarbeit bei Problemlösungen auf
die Bremse. Verlustängste
sind eine Gefahr für Innovation, die Wirtschaft weiss das. Gegenstand von Verlustängsten sind nicht selten liebgewonnene Illusionen - mit anderen Worten: nichts. Gefragt ist im ureigenen Interesse gerade kein Mehr an Trotz und Verweigerung, die Selbstgefällige als "Selbstbewusstsein" oder "Realpolitik" verklären - es ist oft nicht mehr als ein Festhalten an nichts und Nichtigem. Übrigens: Gesundes Selbstbewusstsein unterscheidet sich wohl dadurch vom Grössenwahn, dass es nicht für alle Schwierigkeiten Schuldige benennt.
Matthias Bertschinger
Vorstand NEBS beider Basel
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