Schweiz am Sonntag, 14. April 2013
Dank Offshore-Leaks wissen wir: Andere Länder handeln nicht moralischer als die Schweiz.
Doch der springende Punkt ist nicht, dass andere Länder ebenfalls Dreck am Stecken haben, und es also heuchlerisch ist, der Schweiz mit der Kavallerie zu drohen. Entscheidend ist, dass die Schweiz immer an vorderster Front verhindert hat, dass man derer habhaft wird, die die Allgemeinheit um Steuermillionen betrügen.
SVP, FDP und CVP verkaufen das Bankgeheimnis als Schutz der "Privatsphäre". Der einfache Angestellte hat aber weder eine solche "Privatsphäre" noch Anspruch auf sie: seinen Lohnausweis erhält das Steueramt direkt vom Chef (diese "Verletzung der Privatsphäre" regt hingegen keinen bürgerlichen Politiker auf). Am Teuersten kommt die Verteidigung jener sogenannten "Privatsphäre" diejenigen zu stehen, die immer brav bürgerlich wählen: den Mittelstand. Denn würden alle Bürgerinnen und Bürger die Steuern bezahlen, die sie bezahlen müssten, könnte man den Mittelstand längst steuerlich entlasten.
Dass viele Wählerinnen und Wähler das eigentliche Problem der Krise bei der aufgeblähten Bürokratie, der Zuwanderung oder sogenannten "Sozialschmarotzern" sehen (gewiefte "Steueroptimierer" sind ja keine, sondern begehen "nur" ein Kavalliersdelikt), ist ganz im Sinne derer, die eine internationale Kooperation (Datenaustausch) verhindern anstatt Kapitalfluchtwege abschneiden wollen.
Vonwegen dreckig: Manche Wortführer hetzen gezielt Kleine gegen noch Kleinere auf, um von den wirklichen Missständen abzulenken, von denen sie profitieren. Ihr Vorteil: Gerade in Krisenzeiten sind Menschen gerne bereit, alles Abgründige in Anonyme, Schwache und Fremde zu externalisieren, in denen man es bequem bekämpfen kann. Abgrund und eigenes Schicksal werden in ruhigen Zeiten pedantisch und in Krisenzeiten fanatisch separiert. So oder so: L'enfer c'est les autres - die Hölle sind immer die anderen.
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