Mittwoch, 28. März 2012

Mehr Mut zur Gewaltenteilung!

Publiziert in "INFORUM. Vierteljährliche Information des Forum für Menschenrechte und Direkte Demokratie, N° 2".
März 2012


Die oberste Gewalt in unserer Demokratie ist das Volk. Oberste Gewalt kann das Volk aber nur sein, wenn es sich nicht zur absoluten Gewalt aufschwingt. Zur absoluten Gewalt schwingt es sich auf, wo eine Mehrheit die Freiheitsrechte verletzt, auf welchen die Demokratie selbst beruht.
Eine ausgebaute Gewaltenteilung bietet die beste Gewähr für einen optimalen Schutz unserer Freiheitsrechte. In einer Demokratie ist deshalb das Gewaltenteilungsprinzip ebenso wichtig wie das Mehrheitsprinzip.
Gegner und Befürworter einer Verbesserung des Schutzes unserer Grundrechte weisen eine auffällige Gemeinsamkeit auf: Den Gegnern eines Ausbaus der Verfassungsgerichtsbarkeit genügt die Kontrolle des Parlaments durch das Volk; die Befürworter einer Erweiterung des Katalogs der Gründe zur Ungültigerklärung von Volksinitiativen wollen eine stärkere Kontrolle des Volks rsp. seiner Initiativen durch das Parlament. Beiden Positionen gemeinsam ist der Fokus auf die Kontrolle eines Organs der Legislative über das jeweils andere. Nicht gerüttelt werden soll in beiden Fällen an der Kontrolle einer Gewalt über sich selbst. Nicht gerüttelt werden soll in beiden Fällen an einem Demokratieverständnis, welches dem Volk (rsp. seinen Vertretern) diejenige Allmacht einräumt, welche es in einer gewaltenteiligen Demokratie nicht haben darf.
Mit Blick auf das Gewaltenteilungsprinzips wäre zu fordern, dass die Justiz nicht nur gegenüber dem Gesetzgeber, sondern auch gegenüber dem Verfassungsgeber gestärkt wird. Im Willen, den Katalog der Gründe zur Ungültigerklärung von Volksinitiativen zu erweitern, kommt eine richtige Absicht zum Ausdruck. Es sollte aber weiter darüber diskutiert werden, ob eine Erweiterung des Katalogs der Gründe zur Ungültigerklärung von Volksinitiativen das richtige Mittel ist, um unsere Grundrechte besser vor dem Verfassungsgeber zu schützen. Mit Blick auf das Gewaltenteilungsprinzip wäre zumindest zu fordern, diese Aufgabe nicht nur dem Parlament zu überlassen.
Ein optimaler Schutz unserer Grundrechte bedarf einer starken und unabhängigen Justiz. In der bevorstehenden Diskussion um die Erweiterung des Katalogs der Gründe zur Ungültigerklärung von Volksinitiativen liegt die Chance, unabhängig von konkreten Vorlagen, welche die Grenzen der Demokratie zu verletzen drohen, zu diskutieren, wo diese Grenzen liegen. Denn die Einsicht, dass die Demokratie Grenzen beachten muss, ist auch Voraussetzung für die Einsicht in die Notwendigkeit einer Stärkung der Justiz, deren Aufgabe es ist, über die Einhaltung dieser Grenzen zu wachen. Aufgeklärt werden muss darüber, dass es – sofern wir Demokratie wollen! – übergeordnetes Recht gibt, das unantastbar ist, und dass es Aufgabe der Justiz ist, über die Einhaltung dieses Rechts zu wachen und es wo nötig gegen alle Widerstände durchzusetzen. (Der Aufklärung über die Wichtigkeit der EMRK und einer Transnationalisierung des Rechts kommt in diesem Zusammenhang eine besondere Bedeutung zu. Der weltweite Schutz von Grundrechten erfordert auch mehr Mut zu geteilter Souveränität!)
In der bevorstehenden Diskussion um die Erweiterung des Katalogs der Gründe zur Ungültigerklärung von Volksinitiativen liegt aber ebenso die Gefahr, nicht aufzeigen zu können, was Grenzverletzungen in unserer Demokratie begünstigt, weil die vorgeschlagene Lösung gerade auf diejenige Gewalt setzt, von welcher diese Grenzverletzungen drohen.

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