Montag, 21. März 2011

Ausgrenzung im Kleide des Realismus

(Wochenblatt für das Laufental und Schwarzbubenland, 24.3.2011, Luzerner Neue Nachrichten vom ?, ...)

Kommentare auf Online-Foren sind manchmal entlarvend, etwa hinsichtlich von Ausgrenzungsreflexen im Kleide des „Realismus“. Ein Beispiel aus der Atomdebatte: Gewisse Kommentatoren reduzieren die Ursache des wachsenden Energieverbrauchs auf das Bevölkerungswachstum, und – in einem zweiten Schritt – auf die "Überfremdung". Ergebnis: Hätten wir weniger Ausländer, bräuchten wir weniger Atomkraftwerke. Dieses Beispiel verdeutlicht, wie fremdenfeindliche Reflexe rationalisiert werden. Selten fehlt auch die obligate Bemerkung am Rande, man breche mit einem Tabu und nenne die „realen“ Probleme endlich beim Namen.Wir alle verbrauchen mehr Strom als früher, nicht zuletzt, weil wir länger leben. Doch keiner käme deshalb auf die Idee, einen Zusammenhang zwischen der längeren Laufzeit unserer Grosseltern und derjenigen von Atomkraftwerken herzustellen. Wer Ressentiments schürt, will oft von den realen Problemen ablenken, weil er zu deren Lösung ein gehöriges Quäntchen beisteuern müsste. Hoffentlich reflektieren wir unsere Reflexe und durchschauen die Absichten gewisser Aufwiegler, bevor auch uns irgendwelche Ereignisse auf den Boden der Realität zurückholen. Heute beweist Realitätssinn, wer angesichts einer zunehmend komplexen und hoch technisierten Welt erkennt, dass man viele Probleme nicht mehr im Alleingang, sondern nur noch gemeinsam lösen kann.

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